Erleichtert atmete ich auf, auch wenn es sich beinahe mehr wie ein Schluchzen anhörte, ich konnte nicht anders, ich war einfach so froh, dass er mir erlaubte ihm zu helfen, was auch immer es war, es musste etwas großes für ihn sein, wenn er sich so unsicher gewesen war, ich hatte die Angst in seinen Augen deutlich vernommen und was auch immer jemandem wie Wega Angst machte, es musste etwas großes sein. Danke, Wega., murmelte ich noch ein großes Stück außer Atem, Danke. Ich trat sofort einen Schritt noch an ihn heran, um ihn wieder besser stützen zu können. Ich konnte seinen Schmerz förmlich sehen und zog meine Augenbrauen zusammen. Du schaffst das, Ari., hörte ich die Stimme von Aurelia in meinem Kopf und richtete mich wieder etwas gerade, jetzt galt volle Konzentration. Lass mich dir helfen., forderte ich ihn also ganz sanft auf, während ich begann langsam ihm dabei zu helfen seine Kleidung zu entfernen.

Na schön. Meine Antwort, die genervt hätte herauskommen sollen, klang viel eher nach einem erschöpften und schmerzerfüllten Keuchen, ohne Gegenwehr ließ ich mir von Aurelien aus den Schichten meiner Kleidung helfen, bis die letzte abgestreift wurde und die kühle Luft auf meine Wunden traf. Es waren insgesamt vier tiefe Schnitte, drei auf meinem Rücken und ein besonders langer an meiner Brust, zusammen mit ein paar kleineren Kratzern und Schnitten, die allerdings schon längst zu bluten aufgehört hatten. Meine Flügel allerdings, nun nicht mehr von meiner Kleidung an ihrem Platz gehalten, breiteten sich hinter mir aus, selbst wenn mir deshalb ein leises Zischen entwich, da die Bewegung einmal mehr an meinen Wunden zog. Jetzt ist es raus. Oh Mutter Natur...

Meine Augen weiteten sich, als sich plötzlich zwei blaue Flügel hinter Wega ausbreiteten und ich kam nicht umher, sie kurz zu bestaunen, während ich allerdings bereits meine Hand hob und sie über Wega's Brust legte, dort wo sich ein tiefer Schnitt befand. Ich spürte seinen Herzschlag unter mir, während mein Körper völlig ohne mein Zutun reagierte, und bereits angenehme, helle Magie aus meiner Handfläche zu strömen begann, um die Verletzung zu heilen. Mein Blick richtete sich sofort auf das Gesicht von Wega, in dem sich nichts als Verständnis widerspiegelte. Kaosat..., entkam mir schließlich leise das Wort, das mir schon die ganze Zeit wie auf der Zunge gelegen hatte, in einer Sprache, die ich nur ganz selten verwendete, Sylvan, die Sprache der Feen, die ebenfalls die Sprache aller Nymphen war. Mir wurde klar, dass Wega und mich so viel mehr verband, als unsere gemeinsamen Erlebnisse oder auch die Magie, die langsam meine eigene Energie Wega spendete, um ihn zu heilen. Er war wie ich. Mein großer Bruder.

Ich konnte nicht den Blick auf Aureliens Gesicht halten, als er meine Flügel sah und betrachtete. Ich liebte meine Flügel, über alles, aber sie waren auch der empflindlichste Part an mir, auf so viele Weisen mehr als nur rein körperlich. Ich atmete etwas auf, als Aurelien mich zu heilen begann, denn durch seine Magie ließ nicht nur der Schmerz nach, angenehme Wärme zog auch endlich wieder in meine kalten Glieder ein. Ich schloss kurz die Augen und hörte dann das leise Wort, welches Aurelien aussprach, ich verstand es, es war die Sprache meiner zweiten Hälfte, die der Feen, und auch die der Nymphen. Großer Bruder. Ich schlug die Augen auf und mein Blick traf auf Aurelien, meine hellen Augen sahen ohn so warm und sanft an, wie es bisher so gut wie niemand je von mir gesehen hatte. Honeg.

Etwas flackerte in meinem Blick, doch es war nicht Unsicherheit, eher das Gegenteil, es war wie eine Bestätigung. Die Bestätigung, dass Wega dasselbe fühlte für mich, wie ich für ihn, dieses Vertrauen, das über eine Freundschaft hinausging, genauso wie diese Zuneigung, die ich Männern gegenüber sonst nie in diese Richtung verspürt hatte. Wega mochte anders als meine Zwillingsschwester nicht direkt mit mir verwandt sein, aber das Gefühl war dasselbe, denn uns verband einfach so viel mehr, als dass es ein anderes Wort hätte beschreiben können. Ich werde dich nicht enttäuschen., sagte ich schließlich sanft, aber zugleich voller Entschlossenheit, während ich nun begann mich um jede einzelne Verletzung zu kümmern, mit vollster Konzentration, aber zugleich vollster Aufmerksamkeit, wie es Wega dabei erging, zuerst seine Vorderseite, da diese deutlich einfacher zu erreichen war. Bitte dreh dich zu mir um., bat ich ihn schließlich, bevor ich leise beruhigend dazu murmelte, Ich werde deine Flügel auch nicht berühren, sie sind unverletzt.

Ein Wort von jedem von uns reichte aus, dass wir uns verstanden, dass klar war, was zwischen uns war. Wir waren Brüder, vielleicht nicht im Blute, aber im Geiste. Ich lächelte leicht und überließ mich dann vollkommen Aureliens fähigen Händen, auch wenn ich mich, als ich mich auf seine Aufforderung hin umdrehte, wieder stärker anspannte und meine Flügel einige Male nervös hinter mir falterten, ehe ich sie erneut zum Stillstand brachte. Als sie wieder ruhig waren wurde mir eines klar, ich hatte keine Angst davor, dass Aurelien meinen Flügeln Schaden zufügen würde, ich war lediglich angespannt wegen meiner Verletzungen, im Gegenteil, eigentlich... wollte ich fast, dass er sie genau sah. das war ein sehr merkwürdiger Gedanke für mich und ich wusste wirklich nicht recht was ich damit anstellen sollte, aber er war da.

Die Flügel so direkt vor mir zu sehen war ein großer, riesiger Vertrauensbeweis, den ich gerade zu spüren bekam, von der Seite von Wega. Selbst als ich mich sofort daran machte auch hier die Wunden zu heilen, kam ich nicht darum herum, die Feinheiten und Details dieser wunderschönen Flügel zu bestaunen. Ich war froh, dass ich derjenige war, der ihn heilen durfte, denn Wega war immerhin derjenige, der mich bei unserer allerersten Begegnung vor dem schlimmsten, was mir bisher in meinem Leben passiert wäre, bewahren können. Er war mein großer Bruder, aber ich wollte dennoch auf ihn aufpassen. Sie... ah..., ich unterbrach mich, nur um dann leiser fortzufahren, Sie sind wunderschön, Wega. Vorsichtig heilte ich auch die kleineren Kratzer, bis der gesamte Rücken von Wega wie unversehrt war und meine Magie schließlich versagte. Ich taumelte kurz und stützte mich mit einem Arm fest am Bett ab, als mir für einen Moment schwarz vor den Augen wurde. Geschafft. Es geht ihm gut. Alles wird gut.

Ich gab ein zustimmendes Summen von mir und lächelte, müde und fertig, aber doch. Es freute mich, dass meine Flügel Aurelien gefielen, normalerweise verband ich so etwas mit negativen Dingen, aber ich wusste, mein kleiner Bruder würde mir nie wegen ihnen etwas tun, er meinte es gut. Als endlich alle Verletzungen geheilt waren drehte ich mich wieder zu Aurelien um und sah dadurch sofort sein Taumeln. Rasch streckte ich die Hand aus und hakte meine Finger in seinen Mantel, um ihn zu mir und möglichst auch gleich auf die Liege zu ziehen. Bei Mutter Natur, setz dich doch hin.

Etwas verwirrt noch blinzelte ich, während ich mich ohne jeden Widerstand zu Wega auf sein Krankenbett ziehen ließ, wo ich auch nun wie gewünscht saß und noch immer etwas hin- und herschwankte, als ich verstand, was gerade passiert war. Tut mir leid., nuschelte ich leise, meine Magie hatte mich natürlich einiges an Energie gekostet, es war immerhin meine Lebensenergie, die ich in die Heilmagie steckte, aber ich hatte es einfach nicht bemerkt, so konzentriert war ich darauf gewesen, Wega zu helfen. Ich lehnte nun leicht an ihm und blinzelte langsam aus schweren Augenlidern. Geht es dir besser?

Ohne darüber nachzudenken schlang ich meinen Arm um Aurelien und zog ihn sichernd zu mir, dass er auch ja nicht doch noch umfiel, selbst wenn der Weg zum Boden nun nicht mehr so weit war. Jaja, alles gut. Und jetzt muss ich mich um dich kümmern, huh? Du hättest früher aufhören müssen, Idiot. So harsch meine Worte allerdibgs auch wirken konnte, so konnte man doch deutlich die Sorge hören, die in meiner eigenen, müden Stimme mitschwang.

Bevor ich noch zu viel darüber nachdenken konnte, auch wahrscheinlich meinem geschwächten Zustand geschuldet, sackte ich einfach gegen Wega und lehnte mich nun an ihm an, völlig vertrauensselig, dass er mich halten würde. Ich lächelte leicht, als seine Worte an mein Ohr drangen und kuschelte mich beinahe ein wenig an ihn. Er strahlte für mich immer diese warme Sicherheit aus, egal wie kühl er sich manchmal nach außen gab, nichts konnte über die innere Wärme in seinem Herzen hinwegtäuschen. Alles in Ordnung., bestätigte ich ihm also murmelnd, während ich meine Augen nun ein letztes Mal für heute schloss und meinen freien Arm ebenfalls um Wega legte. Ich hatte keine Angst vor seinen Berührungen, ich wusste, sie würden mir nie etwas böses wollen, wie auch die von Aurelia. Es mochte sein, dass ich eines meiner Geschwister seit der Geburt gekannt hatte und eines erst dieses Jahr hatte kennenlernen dürfen, aber trotzdem hatte ich nun meine ganze Familie gefunden. Wir sind hier sicher. Ich glitt langsam in den erschöpften Schlaf. Ich bin immer sicher bei dir, Kaosat.

tbc: Königliches Schloss » Schlosseingang

Ich betrachtete Aurelien noch eine Weile, während er bereits eingeschlafen war, fest in meinem Arm, sicher bei mir und sicher in diesem Raum, den er selbst mit seiner Magie versehen hatte. Ich hatte nie Geschwister gehabt und nur wenigen Wesen hatte ich je vertraut, aber Aurelien war für mich in der doch recht kurzen Zeit zu einer der wenigen wirklich wichtigen Personen in meinem Leben geworden. Ich zog ihn mit mir mit zur Seite, um eine bequemere Position einzunehmen und schloss schließlich auch die Augen. Hier war ich in Sicherheit und Aurelien war es auch.
(Königreich Elsweyr/Das Meer/Schiffe und Boote/Sea Queen)