Blockieren würde ich das nicht nennen. Doch da Cecil runter wollte, hielt ich ihn auch nicht weiter fest, sondern ließ ihn vorsichtig aus meinen Armen und von meinem Schoss rutschen, auch wenn ich seinen kleinen Körper so dicht bei mir sofort vermisste. Immerhin konnte ich so jetzt wieder deuten, um es dem Satyren leichter zu machen meiner Geschichte zu folgen. Ich hielt ihm auffordernd die Kette hin, dass er sie nahm, es war ein sehr schönes Stück und sie gehörte zu der Geschichte, ich fand es passend, wenn er sie in den Händen hielt.

Ich ließ mich neben Undertaker auf einer der Treppenstufen nieder und nutzte meinen Umhang dazu, um mich nicht direkt in den Schnee zu setzen, sondern eher auf diesen, bevor ich Undertaker wieder erwartungsvoll ansah. Tatsächlich bemerkte ich, dass es so deutlich kühler war, aber statt deswegen etwas zu deuten, rückte ich einfach wieder etwas näher an Undertaker heran, ich war nicht überempfindlich, ich hatte immerhin Fell, aber an menschliche Kleidung hatte ich mich nie gewöhnt und im Gegensatz als zu auf seinem Schoß war es doch deutlich kühler weiter weg von Undertaker. Meine Augen weiteten sich dann aber, als er mir die Kette hinhielt und ich nahm sie zaghaft entgegen, denn ich hatte das Gefühl, sie bedeutete ihm fiel, während ich vorsichtig meinen Finger sachte über sie streifen ließ, dann aber wieder zu Undertaker hochsah.

Ich fühlte wie Wärme sich in mir ausbreitete, als Cecil doch wieder näher zu mir rückte, doch dann glitt mein Blick in die ferne, als ich die Erinnerungen einer jungen Edelfrau wieder hervorholte. Vor vielen, vielen Jahren gab es einmal eine junge Frau. Sie war von guter Abstammung, die liebste Tochter eines Landesherrn. Im Land herrschte Krieg, ihr Vater und seine Männer zogen oft aus um Schlachten zu führen. Im Winter kehrte Frieden ein und er kam zurück auf die heimatliche Burg, wo seine Tochter schon auf ihn wartete. Er überreichte ihr ein Geschenk, einen Teil seiner Beute. Dieses Kleinod, entrissen einem getöteten Feind. Ich deutete auf das Schmuckstück, das Cecil in seinen Händen hielt. Doch sie freute sich nicht, sie begann zu schreien. Denn diese Kette war einst ihre gewesen, im vergangenen Frühling hatte sie sie hergeschenkt. Sie gab sie ihrem Verehrer als Zeichen ihrer Liebe. Ich machte eine kurze Pause, während ich an das junge, schöne, aber doch so traurige Mädchen dachte, von dem ich erzählte. Sie riss die Kette an sich und rannte davon. Sie zog in die Fremde, weit, weit weg, bis sie sein Grab fand. Dort kniete sie sich nieder und wartete. Sie wartete tagelang, bis ihr Körper endlich aufgab und ich zu ihr gerufen wurde. Sie hielt mir die Kette in ihrem letzten Atemzug hin und flehte mich an. Sie wollte mir ihre Kette geben, wenn ich sie nur zu ihrem Liebsten brächte. Wieder eine kleine Pause, ein seltener Gesichtsausdruck war an mir zu sehen, ich grinste oder lächelte nicht, ich sah ernst drein, die Stirn in Falten gelegt. Ich konnte nicht tun was sie wollte, ich konnte sie nicht zu ihrem Liebsten bringen, aber ich gab ihr, obwohl ihr Leben noch nicht gelebt war, das was sie sich wünschte: Den Tod.

Voller Spannung und ehrlichem Interesse folgte ich den Gesten, mit denen Undertaker mir zu verstehen gab, dass es in der Tat ein sehr besonderes Schmuckstück war, das er dort mit sich herumtrug. Eine tragische Liebesgeschichte, ich konnte sehr mitfühlen, zwei arme junge Seelen, die nicht mehr zueinander gefunden hatten, aber vielleicht in einem ihrer nächsten Leben, die ich mir sicher war, die sie bekommen würden. Das Ende der Geschichte war so traurig, wie es auch hoffnungsvoll war, und ich nahm mir einen Moment Zeit um Undertaker's Gesicht zu mustern, das so ernst vollkommen anders wirkte, bevor ich zögerlich meine Hände erhob und deutete, Du bist ein sehr großzügiger Mann. Vorsichtig streckte ich dann eine Hand aus, die Kette noch immer sicher und wie einen Schatz in der anderen gehalten, um ihm diese ganz sanft auf die Schulter zu legen.

Manchmal muss man die Regeln übergehen. Ich schüttelte einen Moment den Kopf, um die düsteren Gedanken zu vertreiben, die sich in mir ausbreiteten und ließ stattdessen wieder ein breites Lächeln auf meinen Lippen sehen, besonders auch, als Cecils Hand ihren Weg auf meine Schulter fand. Ich nahm die Kette entgegen und befestigte sie wieder an meiner Kleidung. Und jetzt weißt du was meine Arbeit beinhaltet.

Nachdenklich betrachtete ich Undertaker, auch die goldene Kette, die er wieder an sich befestigte, noch immer mit verständnisvollem, sanften Blick. Ich hätte der Bitte der Frau nicht nachkommen können, aber ich verstand, dass es Undertaker gekonnt hatte und das respektierte ich. Ich habe dein Eindruck, du vollführst genau die richtige Aufgabe in deinem Leben. Deuten mit einer Hand war schwieriger, aber ich wollte meine Hand trotzdem noch nicht von seiner Schulter nehmen.

Ich lächelte und nickte zustimmend, es war nicht so als hätte ich eine Wahl gehabt, dafür war ich auf der Welt, das war meine Aufgabe und ich führte sie aus. Ich mag die Toten und die, sie sind ruhig und bedacht, wenn das Leben endet versuchen nur die wenigsten noch zu verhandeln. Viele hatten Angst, doch die meisten waren ruhig, Schmerz und Last lösten sich in den letzten Sekunden in denen ich meine Entscheidung traf. Nach außen war es nur der Bruchteil eines Moments, wenn auch das ansehen des vergangenen Lebens für mich sehr viel länger dauerte.

Gibt es Momente, in denen du deine Arbeit nicht gerne ausführst?, fragte ich vorsichtig deutend nach, noch immer nur mit einer Hand, aber ich wollte meine Hand noch nicht von Undertaker's Schulter nehmen, zu beeindruckt war ich von seiner Erzählung noch, es war eine schöne und doch so traurige Geschichte gewesen, eine tragische und doch hoffnungsvolle. Ich wollte hoffen, dass den beiden verlorenen Liebenden Mutter Natur gnädig gesinnt gewesen war.

Ich musste kurz überlegen, auch wenn die Antwort eigentlich ganz klar war. Es gibt Wesen die es verdient hätten zu sterben und doch weiterleben dürfen. Wenn ich sie zurück ins Leben lassen muss, das sind die Momente die ich hasse. Ich sah nicht viele Wesen mit Hass an, aber es gab einige Taten, die ich selbst nicht überblicken konnte. Aber es ist nicht meine Aufgabe Leben zu nehmen.

Undertaker hatte einen starken Gerechtigkeitssinn, das war etwas, was ich durchaus bemerkte, während er deutete und ich wusste nicht warum, aber kurz hatte ich den Eindruck, dass mein Herz ein wenig schneller schlug und das ganz ohne das ich Angst hatte. Ich bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick, bevor ich kurz meinen Halt an seiner Schulter verstärkte und die Hand dann zurückzog, mich aber dafür vertrauensvoll an seine Seite lehnte. Es kann sehr schwer sein, das zu tun, was wir tun sollen, aber trotz des Widerstands machen wir weiter., deutete ich nun wieder mit beiden Händen, Darauf kannst du stolz sein.

Mein Gesicht hatte sich einen Moment verhärtet, doch sobald ich Cecil ansah, wurde mein Ausdruck wieder weicher. Ich vermisste seine Berührung in der Sekunde in der er seine Hand zurück zog, doch lächelte dann breit, als er sich an mich lehnte. Ich brummte kurz nachdenklich, ehe ich etwas grinste. Du bist ziemlich weise für dein Alter.

Der Spruch erwischte mich überraschend und ein leises, glockenhelles Geräusch löste sich aus meiner Kehle, auch wenn ich es nur spürte und selber nicht hören konnte, ein Lachen, beinahe mehr Einbildung, so leise wie es war, aber doch Realität. Meine Wangen färbten sich leicht rötlich, während ich mir eine Hand vor meinen Mund presste, ich verhinderte es eigentlich so gut wie es ging Geräusche zu machen, ich konnte sie schließlich nicht hören, aber der Witz hatte mich doch etwas unvorbereitet getroffen. Ich hoffte aber dennoch schnell davon ablenken zu können, indem ich wieder deutete, Für einen Satyr mag ich jung sein, für viele andere Wesen auch, aber ich habe immerhin fünfunddreißig Menschenjahre schon gelebt.

Ich konnte nicht anders als stumm und wie erstarrt zu Cecil hinunter zu starren. Dieses leichte Geräusch, so zart wie eine gläserne Glocke, so leicht wie die ersten Schneeflocken des Winters, war mir durch Mark und Bein gegangen. Ich hatte Cecil bisher noch nie lachen gehört, ich wusste nicht ob das an mir lag, oder daran, dass er wenig lachte, aber ich hatte mich immer gefragt wie es sich wohl anhören mochte. Jetzt wusste ich es und ich fühlte mich als wäre ich schon nach diesem kurzen Moment regelrecht süchtig danach. Es war so schnell vorbei wie es gekommen war, Cecil wirkte regelrecht verlegen, doch ich konnte noch für einige Momente mehr nichts anderes tun als einfach nur dem Geräusch nachzulauschen, das bald von dichten Schnee um uns herum verschluckt wurde. Ich hob schließlich langsam die Hände und hatte "Das ist immer noch nicht viel Zeit so weise zu werden." deuten wollen, doch es kam stattdessen etwas anderes heraus, ohne, dass ich über meine Gesten nachgedacht hatte.. Du hast ein wunderschönes Lachen.

Undertaker deutete und rührte sich nicht für einige lange Momente und meine Verlegenheit wurde immer größer, aber sie kam erst richtig zu ihrem Höhepunkt, als er seine Hände wieder gehoben hatte. Meine Wangen erröteten noch einmal mehr, hilflos gefangen von den Gesten, die mir etwas vermitteln wollten, das ich wohl niemals widerlegen oder bestätigen konnte. Danke., deutete ich also und sah dann etwas verloren zu Undertaker hinauf, es kam nicht oft vor, dass ich mir wünschte, meine Ohren wären nicht so nutzlos, wie sie es waren, aber gerade wünschte ich mir, mein eigenes Lachen auch hören zu können. Ich habe es mir abgewöhnt zu lachen, als ich begriffen habe, dass ich mich nicht selber hören kann., fügte ich dann schließlich hinzu, das Gefühl hatten mir erst wirklich die anderen Satyrn vermittelt, aber ich war jung und ich hatte es mir die letzten Jahre so angewöhnt.

Nun, jetzt war es heraußen, es war ja auch nur die Wahrheit, immerhin bekam ich dafür nur noch mehr Röte zu sehen, die Cecil in die Wangen stieg. Das ist sehr schade, ein Verlust für die Welt. Ich wäre bereit dazu eine Menge Dinge zu tun, nur um dieses glockengleiche Lachen wieder zu hören, das Cecil mir einen kleinen Moment zuvor geschenkt hatte.