Jetzt verstand ich endlich, warum gerade diese Zeit so schwer für Undertaker gewesen war. Es mussten die Erinnerungen sein, die immer um dieselbe Zeit hochgekommen waren, immer und immer wieder, ohne jemanden, der ihm zur Seite stand. Ich fühlte sehr mit ihm mit, denn ich wusste wie es war, vollkommen alleine zu sein. Eine verlorene Seele, auf Mutter Natur's schöner grüner Welt. Ohne zu zögern fasste ich also einen Entschluss. Dann wirst du ab jetzt nicht mehr alleine sein um diese Zeit., deutete ich also, vielleicht konnte ich nicht für immer anbieten, denn ich war nun einmal nicht unsterblich, denn Satyrn wurden nun einmal meistens ungefähr fünfhundert Jahre alt, aber ich war auch noch jung für einen Satyr.

Dieser Entschluss, denn es war mehr das als ein Angebot, überraschte mich nun aber doch genug, dass er mich genug aus meiner Benommenheit schüttelte, dass ich den Kopf ganz zu Cecil drehte und ihn mit ehrlicher Verwunderung ansah. Meinst du das ernst?

Nun, nicht für immer, aber ich kann dir zumindest meine nächsten vierhundert Jahre anbieten., deutete ich mit einem kleinen, aber sehr, sehr weichen Schmunzeln, denn ich wusste natürlich, dass im großen ganzen von Undertaker's Leben das nur einen Bruchteil darstellte. Generell gab es sehr viele Wesen auf dieser Welt, die vollkommen unsterblich waren und ich wusste auch nicht, ob ich wegen meinem Geburtsdefekt länger oder kürzer leben würde, aber ich hoffte zumindest darauf noch lange auf dieser Welt bleiben zu dürfen, damit ich den Glauben an Mutter Natur weiter verbreiten durfte.

Das würde mir gefallen. Ich drehte den Kopf wieder mehr nach vorne und sah erneut das Skelett meiner Mutter und meine Death Scythe an, wie sie da still saßen und lehnten, wenigstens im Tode ruhig und friedlich. Außer dir weiß niemand etwas hiervon.

Meine Lippen sind versiegelt., deutete ich, zumindest als Versuch einen kleinen Scherz zu machen, über mich selbst, ich versuchte wirklich alles, um Undertaker zumindest ein wenig aufzuheitern, egal was denn nun funktionierte und was nicht. Es war schließlich sehr ironisch, denn ich konnte wohl kaum jemand anderem darüber erzählen, selbst wenn ich es wollte, die wenigsten waren gewillt mir überhaupt zuzuhören, wenn ich aufschreiben musste, manche konnten auch gar nicht lesen, und niemand außer Undertaker und bereits verstorbener Seelen, die ich kannte, konnten die Sprache aus Gebärden.

Ich registrierte den vermutlich nett gemeinten Scherz, aber ich war nicht wirklich fähig darauf zu reagieren. Ich rührte mich wieder nicht mehr und sah erneut nur die Reste meiner Familie an, wenn ich auch weiter leicht an Cecil gelehnt blieb.

Es blieb wieder nichts als zu warten, Trembles kuschelte noch immer mit Ciel, und ich blieb an der Seite von Undertaker, die Augen geschlossen und wieder im tiefen Gebet. Ich musste meine Reserven sparen, ich wusste, wie schnell es passierte, dass ich umkippte, wenn ich lange Zeit nichts aß oder nicht schlief, es kam leider alles von meiner Kondition wodurch mein Fell auch so ungewöhnlich hell war. Ich war schwach, meine Herde hatte damit leider sehr recht gehabt. Aber ich würde mich niemals darüber beschweren, wenn ich dafür jemandem zur Seite stehen konnte.

Ich verfiel wieder in eine Starre, den Blick unverwandt auf meine Mutter und auf die Sense neben ihr gerichtet. Schließlich begannen auch die Tränen wieder, dich ich atmete immerhin weiter, im Raum blieb es hell und warm dank Cecil und mein Körper blieb es auch, er kühlte nicht mehr soweit aus, dass ich zum tatsächlichen Ebenbild des Todes wurde. Stille breitete sich um uns herum aus, die nur durch das Knistern des Feuers und das atmen von vier Wesen unterbrochen wurde. Wie lange wir hier saßen wusste ich nicht, aber es musste eine Weile gewesen sein, denn langsam wurde der Schmerz in meinem Inneren erträglicher, das Gefühl kehrte in meine Glieder zurück und ich richtete mich etwas auf, nur um meinen Rücken knacksen zu lassen. Ich drehte langsam den Kopf zu Cecil, ein breites, wenn auch noch alles andere als echtes Lächeln auf den Lippen. Ich tippte ihn sanft an, in der Hoffnung, dass er mich anblickte. Tee?

Meine Lippen waren staubtrocken, mein Mund genauso, aber solange ich die Augen geschlossen hielt, schwindelte mir zumindest nicht, also hatte ich einfach nur ruhig geatmet und gebetet, mehr hatte ich wohl kaum tun können, bevor ich plötzlich ein Tippen spürte und zusammenzuckte, ich hatte nicht damit gerechnet, irgendwie war es dann doch sehr plötzlich gekommen. Ich riss die Augen auf, im ersten Moment in Panik, bevor mich der Schwindel einholte und ich brauchte einen Moment, um die Geste zu verstehen, bevor ich vorsichtig nickte und Undertaker besorgt musterte.

Cecil erschreckte sich zwar, doch stimmte meinem Vorschlag dann trotzdem zu. Ich erhob mich also langsam, wobei ich meine Glieder alle erst einmal wieder an die Bewegung gewöhnen musste, und setzte dann einen Kessel mit Wasser auf die Kochstelle meines Raumes. Als ich etwas zur Seite wandelte, alles andere als sicher auf den Beinen, die ich seit Tagen nicht gestreckt hatte, verließ Ciel Trembles und rannte auf mich zu, nur um an meinem Mantel hochzuklettern und sich schnurrend um meinen Nacken zu legen. Ich hob abwesend eine Hand, um ihn unter dem Kinn zu kraulen und nahm dann die Urne mit den Keksen zur Hand, die ich Cecil dann entgegen streckte.

Besorgt beobachtete ich Undertaker, aber es war nicht gerade so, als könnte ich aufstehen und ihn dann stützen, ich war mir gar nicht so sicher, ob ich selber gerade so sicher auf meinen eigenen Hufen stehen würde, also blieb ich etwas hilflos sitzen und sah ihm zu, wie er durch den Raum wandelte. Trembles sah Ciel etwas irritiert nach, bevor er zu mir hoppelte und auf meinen Schoß sprang, wo ich meine Arme vorsichtig um ihn schloss. Er war warm, mir war kalt, das war angenehm. Ich nahm allerdings sehr dankbar einige Kekse aus der Urne, meine Hand zitterte leicht, aber ich ließ sie nicht fallen, während ich Undertaker anlächelte. Ich hoffte sehr, dass es ihm nun besser ging, und das meine Gesellschaft und mein Gebet auch nur ein bisschen geholfen hatten.

Ich fachte das Feuer wieder ordentlich an um das Wasser aufzukochen und ging dann, wesentlich heftiger schwankend noch als sonst, zu meinem Bett hinüber, von wo ich eine Decke holte, die ich über Cecils Schultern legte, als ich wieder vorbei wandelte, um einige Kräuter ins kochende Wasser zu werfen, die einen angenehmen Geruch im Raum verbreiteten.

Besorgt musterte ich Undertaker, denn er schien noch mehr zu schwanken als sonst, und er wandelte an mir vorbei, doch bevor ich etwas deuten konnte, legte sich plötzlich eine Decke um meine Schultern. Ich war ihm sehr dankbar für die Geste, ich wünschte, es würde auch nur an der Raumtemperatur liegen, dass mir zu kalt war, aber tatsächlich konnte ich äußere Kälte noch besser vertragen als diese innere, die leider einfach von meiner Kondition kam, die mich auch so schwach machte. Die Kekse halfen ebenfalls ein wenig, dafür fühlte sich mein Mund jetzt umso trockener an, aber ich versuchte mit einem Winken Undertaker's Aufmerksamkeit zu bekommen, damit ich deuten konnte. Wie fühlst du dich jetzt? Ich hatte noch immer große Sorge um seinen Zustand, er hatte auch immerhin nur ein Wort an mich gewandt seitdem er so lange geschwiegen hatte.

Ich sah ziemlich zerstreut zu Cecil hinüber und trat dichter an ihn heran, um seine Zeichen klar zu erkennen. Es fiel mir gerade schwer mich zu fokussieren und meine schwachen Augen anzustrengen um zu sehen was mir da gedeutet wurde war gerade einfach nicht recht möglich. Schon viel besser. Viel wichtiger aber, wie fühlst du dich? Meine Gesten waren weit von den groß ausgreifenden Bewegungen entfernt die ich sonst ausführte, aber immerhin war ich wieder auf den beinen, das war ein Schritt in die richtige Richtung.

Mit großen Augen sah ich zu Undertaker hoch, der dicht an mich herantrat, und ich musterte ihn genauer, es schien ihm wirklich schon etwas besser gehen, aber meine Sorge blieb bestehen. Mein Blick verschwamm kurz, aber ich versuchte dagegen anzukämpfen, während ich mit einem leichten Lächeln deutete, Alles in Ordnung. Ich musste stark sein, für uns beide, ich wusste, wie schwach ich war, wie schwach ich schon immer gewesen war, ich konnte nichts dagegen tun, aber ich wollte hier für Undertaker da sein und nicht umgekehrt. Meine Hände legte ich einfach schnell wieder auf Trembles' Fell ab, damit man das Zittern nicht bemerkte.