Es lief sehr gut, Mann um Mann, oder auch Frau um Frau, ich machte da nicht viel Unterschied, fiel uns zum Opfer, manche sprangen auch gleich ins Meer um uns zu entkommen, manche flehten, die meisten kämpften allerdings gegen uns an. Blut bedeckte meine Klinge und auch meine Kleidung, als plötzlich alles zum Stillstand kam. Der, ohne Zweifel, Anführer der Sklavenhändler dieses Schiffs hielt ein junges Mädchen in seinen Armen, einen Dolch an seine Kehle gepresst. Während ich sonst sehr skrupellos war, wie es sich für einen Piraten ja gehörte, so waren Sklaven etwas, bei denen ich mir nicht gestattete einen Fehler zu machen, der zu ihrem Schaden war. Ich hielt also sofort in meinen Bewegungen an und sah wütend zu dem Mann hinüber. Die Augen des Mädchens waren voller Tränen und schienen förmlich darum zu flehen, dass sie weiterleben durfte. Ich steckte langsam meinen Degen ein und hob die Hände, wie als würde ich aufgeben, den Kopf senkte ich dabei, um meine Augen hinter meiner Hutkrempe zu verbergen. Bau keine Scheiße! In Wahrheit allerdings konzentrierte ich mich gerade so hart ich konnte. Es war Tag und meine Magie nicht so stark, aber ich schaffte es doch, so unauffällig wie möglich, ein Sternzeichen aus dem Himmel und ins Meer hinter dem Sklavenhändler zu ziehen. Es war eines, das ich relativ selten rief, da es sehr groß und nur im Wasser beweglich war, doch gerade war es ideal. Seine Kontur bestand aus schwach leuchtenden Sternen, aber die Nebel, die seinen Körper sonst ausfüllten, waren im Tageslicht kaum zu sehen. Es würde reichen müssen. Ich trat ein paar Schritte zurück, wie um meinen Rückzug anzudeuten, doch gab dabei den Befehl zum Angriff. Hinter dem Anführer erhob sich die schimmernde, schwache Gestalt eines riesigen Wales aus dem Meer, er vollführte eine Drehung und donnerte dann seine Schwanzflosse auf den Kopf des Mannes hernieder, knapp hinter dem Körper des Mädchens, das er festhielt.

Angespannt beobachtete ich Seth, der seine Hände gehoben hatte, wie um aufzugeben, aber ich kannte ihn besser als das, ich verstand, was er vorhatte und hoffte für uns alle, dass es auch funktionierte, denn ansonsten konnte das nur übel enden. Ich atmete kontrolliert aus, während ich begann mich durch die Menge zu schlängeln, eine Illusion über mich gelegt, so unauffällig, wie ich es nur vermochte, hier und da lenkte ich jemanden mit meiner Straßenmagie ab, manchmal auch nur mit billigen Straßenspielertricks, aber ich versuchte so nahe wie möglich an diesen Bastard heranzukommen, ohne das er mich dabei bemerkte oder anders alarmiert wurde. Ich hatte Seth dabei die ganze Zeit im Augenwinkel, doch sobald er den Schritt zurückmachte, sprintete ich auch schon los. Der Kerl ging zu Boden, ließ dabei das Mädchen aber nicht los, voller Sturheit, und ich griff direkt in die Dolchklinge hinein, zum Glück durchtrennte diese nur meinen dicken Handschuh und nicht meine wertvollen Finger, während ich das Mädchen auffing und den Dolch zur Seite warf, der klirrend auf das Deck fiel. Ich hielt den kleinen, zitternden Körper in meinen Armen, der mir gerade bis zu meiner Brust ging, die sich viel zu schnell hob und wieder senkte, aber wir hatten es geschafft, dank Seth, das Mädchen lebte noch, ich hoffte, dass sie die Klinge nicht oder zumindest fast nicht erwischt hatte.

Zum Glück reagierte Baz auch, er hatte sich irgendwie nach vorne gestolen und fing das Mädchen auf, als es mit runter gerissen wurde. Er bewahrte es nicht nur vor einem sicherlich tödlichen Sturz, sondern auch vor der scharfen Klinge, die ihren Hals nur das kleinste Bisschen ankratzte, ehe sie von ihr weggerissen und aufs Deck geworfen wurde. Die Starre unserer Crew löste sich plötzlich auf und nun griffen sie mit nur noch mehr Wut an. Ich ließ den Wal verschwinden, während ich bereits vorsprintete. Ich hielt schlitternd bei Baz und dem Mädchen an, zwischen ihnen und dem Anführer am Boden. Wieder hob ich die Hände, diesesmal zog ich den Löwen aus dem Himmel. Mit einem lautlosen Brüllen stürzte er sich auf den Mann am Boden und auf alle anderen, die sich versuchten uns zu nähern. Seid ihr verletzt? Ich hätte es wohl gespürt, wenn Baz etwas passiert wäre, laut dem was ich über Seelenverwandte jedenfalls wusste, aber ich wollte doch lieber nachfragen und was mit dem Mädchen war wusste ich ja doch nicht.

Noch etwas erstarrt von der gesamten Situation, die doch sehr schnell gegangen war, hatte ich inne gehalten, bis ich Seth bei mir spürte und sich plötzlich all die Anspannung auf einmal von mir löste, einfach nur durch die Nähe zu meinem Seelenverwandter. Ich schüttelte den Kopf, ich war nicht verletzt, wenn überhaupt nur ein winziger Schnitt, nichts schlimmes, ich spürte jedenfalls keinen Schmerz, aber das kleine Mädchen in meinen Armen zitterte jämmerlich. Hey, Kleine, du bist in Sicherheit. Lass mich dein Gesicht sehen, ja? Sie versteckte ihr Gesicht noch tiefer in meiner Brust und ich seufzte, bevor ich mich an Seth wandte. Ich denke, wir müssen sie vorher vom Schiff herunterbringen. Die letzten Sklavenhändler fielen sowieso, aber wahrscheinlich machten ihr die Geräusche und alles drum herum zu viel Angst.

Baz' Nicken beruhigte mich, das Mädchen allerdings war klarerweise nicht wirklich bereit sich der Welt zu stellen, dazu zwingen konnte man sie nun aber auch schlecht. Bring sie rüber, ich mache das hier fertig. Jetzt wo der letzte Sklavenhändler gefallen war stand das befreien der restlichen Sklaven an und dann das überlegen wo diese hinwollten. Manche hatten sich uns schon angeschlossen, andere wollten das nun freue Schuff übernehmen und wieder andere ließen sich auf Inseln absetzen.

Dankbar sah ich Seth mit weichem Blick an, als Kapitän musste er sich sowieso noch um einiges kümmern, aber ich konnte trotzdem nicht anders, als ihn noch kurz mit beiden Augen fest anzusehen und leise zu sagen, Pass auf dich auf, ja? Zwar hatten wir augenscheinlich gewonnen und ich wollte hoffen, dass niemand von den Sklaven auf dumme Ideen kam, aber man wusste ja nie, und ich konnte es nicht ausstehen von Seth entfernt zu sein, jetzt sowieso noch weniger. Ich lächelte ihm kurz zu, bevor ich, das Mädchen noch immer fest in meinen Armen, auf unser Schiff zusteuerte, während ich versuchte den meisten Personen einfach komplett auszuweichen.

Ich erwiderte Baz' Blick und auch meine blau-grauen Augen nahmen einen weichen Ausdruck an, den außer Juliette wohl noch nie jemand zu sehen bekommen hatte. Du auch. Damit trennten wir uns und auch wenn es mir nicht gefiel, so hatten wir beide wichtige Aufgaben, die es zu erfüllen galt. Mit einigen Mitgliedern unserer Crew stieg ich zu den Zellen hinab und machte mich daran die dort gehaltenen Sklaven zu befreien.

Mit diesem Blick könnte mich Seth wohl um alles bitten und ich hätte ohne zu fragen zugestimmt, er ließ mein Herz in meiner Brust beinahe platzen, zumindest fühlte es sich so an, während es einen Sprint dahinlegte wie das Herz eines Kaninchens, das vor einer Schlange stand. Ich musste irgendein Lied diesem Ausdruck widmen, ich würde sonst noch platzen vor lauter Inspiration, aber gerade gab es wichtigeres. Ich dachte gar nicht lange nach, sondern beschloss das Mädchen und mich erst einmal in die Kapitänskajüte mitzunehmen, damit sie sich dort etwas beruhigen konnte, denn sonst war dort niemand.

Es dauerte eine ganze Weile die Sklaven, die nun freie Wesen waren, zu sortieren, die jenigen, die Ärger machen wollten herauszunehmen und den anderen zuerst die Wahl zu lassen was sie tun wollten. Die Raufbolde wurden schließlich zu ihrer eigenen Sicherheit separat auf unser Schiff gebracht, sie würden dort unter Verschluss bleiben bis wir sie auf einer Insel anladen konnten, wo sie in Gottes Namen tun durften was sie wollten. Zufrieden ließen wir diejenigen die es wollten mit drm Sklavenhändlerschiff davon fahren und ich ging auf die Suche nach Baz. Unser Bund lenkte mich unbewusst direkt in meine Kajüte, die doch in Wahrheit unserer beider war.

Inzwischen hatte ich es geschafft das Mädchen zumindest soweit zu beruhigen, dass sie sich von mir untersuchen lassen hatte, Wort hatte sie noch keines gesagt, nur ihren Kopf geschüttelt, aber es musste sein. Ich betrachtete den dünnen, mageren Hals, an dem sich doch ein kleiner Schnitt abzeichnete. Entschuldige Süße, ich war wohl nicht schnell genug. Ich presste meine Lippen aufeinander und nahm dann kurzerhand den Ärmel meines Hemdes, es war sowieso nicht das feinste und voller Blut, von dem ich ein Stück abriss, als kleiner Verband, nachdem ich Wasser geholt und die Wunde ausgewaschen hatte. Ich befestigte den hergestellten Verband um ihren Hals gerade, als ich die Tür hinter mir hörte und ein warmes Gefühl in meiner Brust aufstieg.

Baz schien just in dem Moment, in dem ich in die Kabine trat, den hals des Mädchens zu verbinden, es schien demnach doch etwas abbekommen zu haben. Ich sah nur den Rücken meines Seelenverwandten, doch alleine wieder in seiner nähe zu sein war sehr angenehm und beruhigend für mich, ich mochte es nicht von ihm getrennt zu sein, das hatte ich schon nicht als wir uns angefreundet hatten und nun, da wir die Soulmark des anderen trugen war das nur verstärkt worden. Recht awkward trat ich ein und schloss die Tür wieder hinter mir. Und? Wie siehts aus?

Mit einem Lächeln drehte ich mich zu Seth um und musterte ihn sanft, ich war froh, dass er wieder bei mir war, in meiner Nähe, ich wusste, dass er theoretisch mit seiner Magie der stärkere von uns beiden war, aber ich wollte ihn trotzdem dort, wo ich ihn sah, ich hatte schon immer einen großen Beschützerinstinkt ihm gegenüber verspürt und jetzt wusste ich auch wieso. Die kleine Prinzessin wollte sich mir noch nicht vorstellen, aber ansonsten scheint es ihr gut zu gehen, außer... naja... Ich verzog mein Gesicht leicht, man konnte trotz der schönen Kleidung leider deutlich erkennen, dass sie nicht gerade gut ernährt worden war. Zu meiner Erstaunen hob das Mädchen allerdings nun ihren Blick und sah Seth aus großen Augen an, bevor es ganz leise sagte, "Viola. Ich bin... Viola."

Ich nickte leicht, als Baz seinen Satz schließlich unterbrach, sie war eine Sklavin gewesen und egal wie sehr man sie auch für den Verkauf aufgehübscht hatte, man konnte eben doch die harsche Realität eines solchen Lebens an ihrem Körper sehen. Kurz trat Unglauben in mein Gesicht, als das Mädchen nun tatsächlich etwas sagte und sich vorstellte, aber rasch versuchte ich mich an einem Lächeln, das vermutlich nicht besonders erfreulich aussah, aber besser wurde es einfach nicht. Freut mich Viola, ich bin Seth und das ist... mein Seelenverwandter Baz. Es war komisch ihn so vorzustellen, aber irgendwie war es mir wichtig seinen Status bekannt zu geben, ich war eben doch sehr stolz darauf, dass dieser wilde, unfassbar dumme Rotschopf der meine war.

Wir sind verheiratet., fügte ich mit einem breiten Grinsen ganz stolz hinten an, denn irgendwie musste ich es ja überspielen, wie dämlich breit ich in mich hineingelächelt hatte, als Seth uns so vorgestellt hatte. Ich konnte es kaum erwarten das noch einmal zu hören und noch einmal und noch einmal und noch einmal und das am besten jeden Tag. Das Mädchen staunte allerdings nicht schlecht und riss die Augen auf. "Dann seid ihr beide Soulmates?" Ich nickte noch immer breit grinsend. "Ich habe immer gedacht, Soulmates gibt es nur in Märchen." Sie sah unsicher auf ihre Hände, die sie vor ihrem Kleid verschränkt hielt. Wir brauchten dringend andere Kleidung und so etwas für sie, das konnte gar nicht bequem sein, was sie da trug.

Viola sprach nun schon sehr viel mehr und nachdem ich Baz einen bösen Blick zugeworfen hatte, weil er noch hinausposaunt hatte, dass wir verheiratet waren, sah ich das Mädchen wieder an und nickte selbst auch leicht, ehe ich mit den Schultern zuckte. Wir bleiben meistens unter uns, in unseren eigenen Gemeinschaften. Immerhin fand man unter anderen Soulmates auch seinen eigenen Seelenverwandten, jedenfalls meistens, es gab auch Gerüchte über Verbindungen mit anderen Wesen, aber diese wurden in meinen Kreisen damals nur unter der Hand erzählt und nie bestätigt.